Effizientes Schreibmanagement oder: Planung ist das A und O, Teil 1

Beim Thema »Planen« eines Schreibprojekts wirst du häufig etwas hören von Tages-, Monats- und Projektzielen … und Coaches locken dich mit GoogleSheets-, Excel- und Notion-Templates, die für dich dein Tagespensum in Wörtern oder Zeichen ausrechnen.

Für kürzere Texte ist das auch völlig in Ordnung. Bei langen Projekten (dein Sachbuch, dein Roman, deine 30 SEO-Blogposts für deine Webseite) sehe ich das kritisch.

Wie du dein Schreibprojekt gut planst und vorbereitest, ohne noch mehr „Druck auf den Kessel“ zu geben, habe ich dir in diesem Artikel zusammengestellt.
Bei Fragen kannst du mir gern schreiben oder eine kleine Textsprechstunde buchen. Du wirst erstaunt sein, wie viel man in 60 Minuten besprechen kann. 🙂

Schreibmanagement Sachbuch Roman

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Old school Ziele beim Schreiben

Tagesziele, Notion-, Excel- und Google-Sheets zum Ausfüllen etc. gehören alle in einen Ansatz zum Schreibcoaching, den man früher verwendet hat. Die Schreib- und Verhaltensforschung empfiehlt inzwischen eine andere Herangehensweise. 

Für dich ist wichtig:

Wenn du 

  • routiniert im Schreiben bist,
  • die innere Kritik voll im Griff hast
  • und dich Tages- und Projektziele anspornen,

kannst du mit einem Wochenpensum arbeiten. (Das funktioniert besser als ein Tagespensum!)

Bei vielen Menschen produziert diese Art der Zielsetzung aber noch mehr »Druck auf den Kessel« und füttert die Innere Kritik bzw. Schreibblockaden noch.

Wie sieht ein gutes Schreibmanagement aus bzw. das Projektmanagement von Schreibprojekten?

Dass du flüssig einen Text schreibst, hängt weniger von einem täglichen Schreibpensum ab, sondern viel davon, wie gut du dein Schreibprojekt vorbereitest. Das gilt für kurze Projekte (z. B. ein Artikel für eine Kundenzeitschrift) genauso wie für lange Texte.

Textprofis wie Texterinnen oder Autorinnen beginnen Projekte so: Sie finden ganz viele »Leitplanken« für ihr aktuelles Projekt heraus, die dann während des Schreibens Orientierung geben.

Denn wenn du nicht genau weißt, was du eigentlich schreibst, kannst du noch so fleißig jeden Tag Text produzieren: Entweder wird der Text am Ende nicht deinen Vorstellungen entsprechen oder schlimmstenfalls gibst du auf halbem Weg auf.

Beide Situationen kenne ich aus meiner langjährigen Arbeit als Verlagslektorin genauso wie aus meiner Text- und Buchbegleitung für AutorInnen in den letzten Jahren.

Damit dir das nicht so geht, möchte ich dir zeigen, wie ich ein Schreibprojekt angehe und wie ich auch meine KundInnen begleite. (Ich unterstütze dich übrigens auch ganz spontan mit einer einzelnen Textsprechstunde)

Die Planung eines Schreibprojekts ist mehrdimensional. Je komplexer und umfangreicher das Projekt, umso mehr Dimensionen. Das sieht dann hier in dem Blogpost erst einmal abschreckend viel aus, aber die gute Nachricht ist:

Wenn du jede der »Dimensionen« im Vorfeld bearbeitest, steht dem flüssigen Schreiben kaum noch etwas im Weg!

 

 

Nehmen wir als Beispiel einen Roman für einen Verlag. Ich bin vor einiger Zeit als Ghostwriterin von einem Verlag angesprochen worden. Die erste E-Mail mit Infos wäre ausgedruckt ca. 3 Seiten lang gewesen, aber es ging viel um Inhaltliches und wenig um die Rahmenbedingungen.

Folglich blieben Fragen offen, die essenziell sind für meine Entscheidung, ob ich ein Schreibprojekt annehme und wieviel zeitlicher Aufwand das für mich wird (z. B. Zeit für Recherche und Stilbildung, Plotten, Schreibzeit). Letzteres beeinflusst dann auch meine Honorarvorstellungen 

Der Verleger unterbrach unser Telefongespräch bei meiner 3. Frage und sagte: »Darf ich mal kurz was anmerken? Sie stellen genau die richtigen Fragen.«

»Kein Wunder, ich bin ja Autorin und Verlagslektorin«, sagte ich etwas perplex.

Er: »Ich telefoniere nur mit erfahrenen Autorinnen, die schon veröffentlich haben, aber bisher hat mir noch niemand im Vorfeld diese Fragen gestellt. Die tröpfeln sonst erst nach und nach beim Schreiben rein.«

Zu dem Zeitpunkt hat man dann aber schon den Vertrag unterschrieben – der dich in diesem Fall verpflichtet hättet, fünf Jahre lang jedes Jahr einen Roman einer bestimmten Länge abzuliefern und mit einem ganz bestimmten Stil. Da wäre es doch gut, im Vorfeld vergleichbare Bücher zu kennen, zu wissen, welche Art von Plots und Hauptcharakteren zwingend vorgeschrieben sind etc. 😉

Welche Informationen benötigst du, um einen Text flüssig zu schreiben?

Du musst dir am Start jedes Schreibprojekts genau überlegen: Welche Informationen muss ich haben, damit ich keine Schreibzeit vergeude und später möglichst wenig überarbeiten muss?

Essenziell für einen Text könnten z. B. sein:

Diese Aspekte solltest du auch für deine eigenen Texte festlegen. Sonst gerät man leicht ins Schwimmen und schreibt unmotiviert richtungslos vor sich hin.

Wie lang ist deine akute Schreibphase überhaupt?

Nehmen wir als Beispiel einen Firmentext.

Deadline ist in 8 Wochen. Du schreibst ihn für eine Kundenzeitschrift der Firma, in der du arbeitest, und du hast auf Nachfrage drei Artikel von KollegInnen als Referenztexte erhalten. Der Umfang liegt bei »etwa 10 Seiten«.

Du hast mehrere Seiten ausgezählt und festgestellt, dass im Durchschnitt 1700 Zeichen auf die Seiten dieses Magazins passen. 10×1700 = 17.000 Zeichen. Um auf der sicheren Seite zu sein, setzt du dir 18.000 Zeichen als Ziel. Dann kannst du später Textstellen einfach streichen, die dich oder deine Betalesenden nicht so überzeugt haben.

Du ziehst von den 8 Wochen bis zur Deadline Zeit für Unterbrechungen ab

z.B.

Diese Angaben basieren auf Erfahrungswerten. Sie werden variieren je nach Textlänge und -komplexität, wie häufig bei Dir Unvorgesehenes anfällt und anderen Faktoren. (Vergiss auch so etwas wie chronische Krankheiten und deinen Neurotypus nicht.) Für einen längeren Text ziehst du natürlich mehr Zeit ab. Denn da brauchen die Testlesenden z. B. länger als 2 Wochen und auch die Vorbereitung dauert evtl. wesentlich länger.

Im Beispiel:

8 Wochen minus 4 Wochen Unterbrechungen = Es bleiben 4 Wochen reine Schreibzeit für 18.000 Zeichen bzw. 11 Normseiten.

Für dich ist dieser Schritt ein reality check: Wirst du das voraussichtlich schaffen? Sonst musst du bei der Abgabe nachverhandeln.

Was passiert, wenn ein längerer Text trotzdem eine Deadline von 8 Wochen hat? Dann zieht man trotzdem die Zeit für Unvorhergesenes ab – und das Schreibpensum pro Tag erhöht sich massiv. (Als Ghostwriter musste ich manchmal sehr kurzfristig einspringen. Da ist die Deadline dann z. B. »in 14 Tagen« für ein 120 Seiten Manuskript.)

Deswegen ist dieser Schritt, in dem man den Textumfang in Relation zur Zeit setzt, und zwar inklusive ein paar Tagen oder Wochen »Ausfallzeit«, enorm wichtig!

Also doch X Wörter pro Tag?

Jetzt bitte nicht rechnen: »18.000 Zeichen in 4 Wochen – es genügt, pro Woche 3 Seiten Text zu schreiben.«

Es hilft der Kohärenz deines Textes, wenn du beim ersten Entwurf möglichst viel in einem Rutsch schreibst und wenn du täglich schreibst. (Ja, auch am Wochenende!) 

Die tägliche Schreibsession kann dann auch mal kürzer sein. Denk nur dran: Man rechnet etwa mit 30 Minuten, bis Menschen im Schreibflow sind. Es gibt Tricks, das abzukürzen.

Wichtig ist, dass du täglich schreibend mit dem Text verbunden bist und am Anfang möglichst viel Text produzierst. Das hat sich bei vielen AutorInnen bewährt anstatt einem Ziel wie »Ich schreibe jede Woche 3 Seiten«. Sonst ist es Sonntagabend, du hast diese Woche noch nichts geschrieben – und brauchst erst einmal 2 Stunden, um zurück in den Text zu finden, weil die letzte Schreibsession so lange her ist.

Schreibmanagement

Schreibmanagement für diesen Beispieltext bedeutet also:

Denk immer daran: Die Qualität eines Text entscheidet sich anhand der Vorbereitung und der Überarbeitung. Brems dich beim Schreiben erstmal nicht aus!

Sei auch nicht ungeduldig mit dir, wenn du in den ersten Tagen manche Textstellen mehrfach schreibst, bis du das Gefühl hast, »es hat Klick gemacht« und es steht das auf der Seite, was du sagen möchtest – und was zum roten Faden deines Textes passt.

TexterInnen und AutorInnen kennen das: Man muss sich mit einem neuen Text erst einmal etwas »warm« schreiben.

Ist das nicht ein Widerspruch zu oben, wo ich sage, du sollst möglichst flott einen »shitty first draft« schreiben? Nein.

Probier es aus. Du wirst den Unterschied spüren, ob du das schreibst, was du für den Text geplant hattest, aber noch nicht immer auf Anhieb die richtigen Formulierungen findest (=shitty first draft) ODER ob du das Gefühl hast: »Nee, das passt doch gar nicht zu dem, was ich eigentlich sagen wollte.«