Plotter, Pantser oder Gärtner?

Beim Roman-Schreiben scheiden sich die Geister: Pantser, Plotter – oder Plantser? Manche schwören auf monate- oder jahrelange Vorbereitung, andere können nur schreiben, wenn sie sich kopfüber hineinstürzen.

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Plotter, Architekten, Pantser …

Die folgenden drei Typen sind die häufigsten Wege, wie AutorInnen an das Schreiben eines Romans herangehen. Häufig stellen sie auch eine Entwicklung dar: Beim zweiten, dritten, zehnten Roman geht man die Sache entweder entspannter oder strukturierter an als beim ersten, je nach Lernkurve und Naturell.

Plotter bzw. »Architekten«

Plotter (bzw. „Architekten“) plotten den ganzen Roman vorab, bis runter zu den einzelnen „Beats“ einer Szene. 

Pantser, Spontan-Schreiben

Pantser kennen eventuell die Charaktere und haben ein paar Szenen der Geschichte im Hinterkopf – und schreiben drauflos.

Was viele ErstlingsautorInnen nicht erkennen: 

Nur weil einige berühmte AutorInnen Pantser sind, heißt das nicht, dass ihr mit gleichen Voraussetzungen startet. 

Je mehr Erfahrung du mit narrativen Strukturen hast, umso erfolgreicher kannst du ohne große Vorbereitung einen Roman stemmen. 

Narrative Strukturen meint: Hast du schon mehr als drei Romane zu Ende geschrieben? Hast du viele klassisch aufgebaute Filme bewusst gesehen? (Bewusst = mit Blick auf den Plot.) Liest du jedes Jahr Hunderte von Romanen? Führst du seit Jahren Pen and Paper-Gruppen durch Abenteuer? usw.

All das erzeugt in dir narrative Instinkte, die dich im entscheidenden Moment mit Einfällen versorgen können.

Gärtner

Meiner Meinung nach gibt es eine vierte Form von AutorInnen: die Gärtner. Im Internet und in Schreibbüchern wird das Wort leider nur als Synonym zu den Pantsern verwendet, denn auch die Gärtner plotten nicht. 

Ich persönlich bezeichne diejenigen AutorInnen als Gärtner, die nicht plotten, aber ein unglaubliches Gespür und Gedächtnis für Motive haben und die sehr bewusst »ins Blaue« hinein schreiben. Ganz im Gegensatz zu einem »echten« Pantser, der ungehemmt beim Schreiben Haken im Plot schlägt.

Vorteile und Nachteile Romane als Plotter, Pantser, Gärtner zu schreiben

Vorteile und Nachteile Plotter

Gemeint sind hier diejenigen, die nicht nur Schlüsselszenen (siehe Blogpost »Schlüsselszenen«) vorab plotten, sondern Szenen bis ins Detail hinunter vorab festlegen.

Man schreibt meist viel schneller, weil man für jede Schreibsessions genaue »ToDo’s« hat. Man muss nicht erst stundenlang überlegen, was der Held jetzt wohl tun könnte, um den Bösen zu entwischen. Man schreibt auch immer auf ein Ziel zu.

Man muss nicht chronologisch schreiben, sondern kann beim Schreiben leichter springen und z. B. gleich zum Start im Turbo alle Lieblingsszenen schreiben.

Die Überarbeitungszeit verkürzt sich massiv! Der Großteil der Schreibarbeit beim Roman ist nicht der erste Entwurf sondern die Überarbeitung.

Mit dem detaillierten Plotten kann man sich Jahre aufhalten. Es füttert auch die innere Kritik (siehe unten).

Der detaillierte Plot sorgt häufig für Schreibhemmungen, z. B. weil dein durch viel Lesen geprägter Instinkt funkt »Da stimmt was nicht im Plot!« und du versuchst, ihn trotzdem beim Schreiben mit Gewalt durchzudrücken.

Wenn alles fertig geplottet ist und jede Szene steht, sagt mein Gehirn »Jo, super Buch. Fertig! Nächstes.« Ich kann mich noch so anstrengen: Das Buch zu schreiben reizt mich nicht mehr. So geht es vielen AutorInnen, besonders auch vielen neurodivergenten Menschen. Besonders häufig sehe ich das bei AutorInnen mit ADHS. Ich vermute, da fehlt vielleicht der Dopaminschub der Entdeckung beim Schreiben.

Im amerikanischen Schreibcoaching sagt man: »Halte deinen Text nicht so fest.« Es ist nicht möglich, eine Buch- oder Filmidee zu 100% so umzusetzen, wie man es geplant hat. Und gerade aus der Diskrepanz entstehen viele kreative Ideen, die den Text einzigartig machen. Dein Charakter möchte in einer Szene lieber etwas anderes machen, als der Plot ihm vorgibt. Wenn du ihn zwingst, liest sich das für Lesende später häufig »geplottet«, nämlich unnatürlich. »Warum sollte sie in der Situation X machen?!« Denn beim Plotten erscheint uns manches sinnvoll, das im Roman nicht richtig passt.

Vorteile und Nachteile Pantser

Wenn man die innere Kritik erstmal ausgeschaltet hat und fröhlich drauflosschreibt, fühlt sich das Schreiben einfach nur grandios an. Absofreakinglutely wonderful. Stimmungsvolle Musik im Ohr, tief verbunden mit dem Helden, deine Finger fliegen über die Tasten und nichts und niemand redet dir rein: Du erschaffst in Minuten Locations, Charaktere, Gadgets, Herausforderungen. Es ist, als würdest du im Kopf einen Hollywoodfilm drehen, nur noch cooler.

Viele Romane von unerfahrenen Autoren plagt eine "sagging middle" (die durchhängende Mitte). Denn Pantser kennen zwar den Anfang und das Ende der Geschichte – aber irren im Mittelteil von A nach C nach Z und zurück nach B mit den Charakteren. Was außer ihnen selbst aber niemand spannend findet.

Unerfahrene Pantser schreiben »undiszipliniert«. Gerade weil das Schreiben so wunderbar kreativ ist, verlieren sie manche Charaktere und Plotpunkte komplett aus den Augen, ihr Plot schlägt ungehemmt Haken und Charaktere verändern sich plötzlich.

Der Name Pantser (von pants = Hose) zeigt das Problem: Die Überarbeitungszeit ist wesentlich länger, da man das Buch "auf dem Hosenboden sitzend" mühsam in Form bringen muss.

Vorteile und Nachteile Gärtner

Ein Gärtner ist für mich jemand, der zwar auch den Einfällen beim Schreiben folgt, aber »disziplinierter« als ein Pantser. 

Diese Autoren überlegen bei neuen Ideen kurz, ob diese Idee ihnen z. B. die bisherige Charakterisierung zerschießt, ob das neue Gadget oder der neue Charakter wirklich eine gute Ergänzung sind – oder ob sie nicht stattdessen etwas aufgreifen können, das vorher schon vorkam, um der Geschichte schon im ersten Entwurf mehr inneren Halt zu geben

Ich stelle es mir vor wie jemand, der einen Garten anlegt: Da wachsen dann nach ein, zwei Jahren Dinge über den ursprünglichen Pflanzplatz hinaus. Der Gärtner lässt manches wachsen, anderes wird zurückgeschnitten.

Obwohl beide nicht (viel) plotten, wird der Gärtner in der Überarbeitungsphase schneller vorankommen als ein Gärtner.

Durch das sehr bewusste, aber kreative Schreiben, bemerken diese AutorInnen sehr schnell Motive. Vielleicht war die rote Rose in Szene eins nur eine flüchtige Idee, aber nachdem der Gärtner nachgelesen hat, was die Farbe Rot und die Rose symbolisieren, schlängelt sich das Motiv als roter Faden durch das ganze Buch. So etwas müssen andere AutorInnen am Schluss erstmal mühsam überall einbauen. 

Gärtner halten so sehr die Augen offen für thematische Zusammenhänge, spannende Symbole, sinnvolle Ergänzungen … dass ihnen etwas die Spontaneität der Pantser verloren geht. Sie hängen dann zwischen allen Stühlen: Kein Plot, keine Struktur, aber das nagende Gefühl »Ich kann nicht einfach irgendwas schreiben.«

Die Bücher von Gärtnern erkennst du häufig daran, dass bestimmte Symbole, Themen, Zusammenhänge etwas zu häufig vorkommen. Zumindest als Lektorin sieht man beim Lesen förmlich, wie die Autorin beim Schreiben gedacht hat: »Geile Idee! Das baue ich jetzt überall ein!«

Schreibtypen und das Schreibcoaching

Wegen der oben genannten Nachteile versuche ich im Schreibcoaching, Pantser und Gärtner zu »Plantsern« bzw. »Plotsern« zu machen. 

Ich helfe ihnen, bestimmte Schlüsselszenen und Charaktereigenschaften festzuzurren – so als ob man ein paar zusätzliche Zeltstangen einschlägt, die die Gestalt des Romans entstehen lassen. 

Das kannst du vor dem Schreiben tun, aber auch noch später, immer wenn du im im Schreiben feststeckst!

Das leidige Plotten

Damit man die richtigen Schlüsselszenen für die eigene Geschichte auswählt und sie so plottet, dass man auch Lust hat, das Buch zu schreiben, muss man sich mit Plot-Theorie beschäftigen. Ja, ich weiß: Schon bei dem Wort Plotten wollen einige von euch am Liebsten aus dem Fenster springen. 😉 

Was für dich als Pantser wichtig ist: Sieh dir kurz ein paar verschiedene Plot-Modelle an und mach dir dabei Notizen:
Welche Ideen für Schlüsselszenen gibt mir dieses Modell? Und welche neuen Ideen kommen beim nächsten Modell dazu?

Ich starte meist mit den wichtigsten Meilensteinen der
3-Akt-Theorie und lege die dann neben die Prinzling-Reise. (Hier findest du den ersten Artikel meiner Serie dazu). 

Es geht in diesem Moment nur darum,
 strategische Eckpunkte festzurren für Szenen und Charaktere und Ideen für entscheidende Plot-Momente zu sammeln. 

Du willst mehr »Zeltstangen« haben, die deine Geschichte zwischen Anfang und Ende so aufspannen, dass

Wenn du diese hast, kannst du überlegen, welche Charaktereigenschaften am besten zu diesen Plot-ideen passen, z. B.: Ist dein Charakter ein Newb oder eine »Expertin« in dieser Welt? (siehe Blogpost zu Competence Porn)

Schreib mal gegen dein Naturell!

Ich empfehle AutorInnen, auch mal »entgegen ihr Naturell« zu schreiben, besonders bei kurzen Challenges wie dem NaNoWriMo

1.) Wer immer ewig plottet oder Welten baut, sollte z. B. für den NaNoWriMo mit einem komplett neuen Projekt ins kalte Wasser springen. Ein Spaßprojekt, wo du vier Wochen deiner Fantasie beim Schreiben freien Lauf lässt. Spaßprojekt heißt: Eventuell wandert es nach Abschluss in die Tonne. Aber es macht beim Schreiben Spaß und du lernst mit jedem Projekt dazu.

2.) Wer sich immer vor dem Plotten drückt, sollte ein »Spaßprojekt« mal mit verschiedenen Plot-Theorien bis ins letzte Detail durchplotten und das Worldbuilding/Charakterentwicklung mit Eckpunkten festzurren. Sieh es als Bootcamp, um deine narrativen Instinkte zu stärken.

Mut zur Lücke!

Gerade für Fantasy- und Science-Fiction-AutorInnen kann es sinnvoll sein, die Vorbereitung auf einen Monat zu begrenzen, zum Beispiel auf »Preptober«. Das grenzt das Worldbuilding ein und verhindert, dass du mit Recherche »prokrastinierst«. Denn deine innere Kritik ist schlau: Sie wird dir IMMER wieder sagen, dass du ERST schreiben kannst, wenn du weitere Aspekte gründlich recherchiert hast!

Ich sammele meist monate- oder jahrelang Ideen für eine neue Geschichtenwelt, aber wenn das Projekt wirklich ansteht, gehe ich in eine intensive, kurze Wordbuilding-Phase.