»Sagte er«, »sagte sie« – gute Dialoge im Roman
Viele AutorInnen versuchen hektisch, eine Wiederholung von »sagte er« oder »sagte sie« zu vermeiden. Das bringt sie zu kuriosen Formulierungen, die mir als Lektorin die Tränen in die Augen treiben und deine Leserinnen und Leser aus dem Leseflow reißen.
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Begleitsätze zum Dialog
Im Englischen nennt man diese Halbsätze, die Dialogen angefügt werden, »speech tags«, auf Deutsch »Begleitsatz zur wörtlichen Rede«.
Der englische Name macht klarer, worum es geht: Diese »Anhängsel« an den gesprochenen Satz, müssen irgendetwas mit gesprochener Sprache/Stimme zu tun haben.
Leider bekommen angehende AutorInnen (und auch Profis!) immer noch eingebleut, in der Überarbeitung des Manuskriptes alle Wiederholungen auszumerzen. Verwendest du viele Dialoge, erscheint »sagte« als Kandidat ganz oben bei den Schreib-Tools, die Wiederholungen aufzeigen.
Es gibt lange Listen im Internet, was man alles Tolles verwenden kann, um »sagte« zu vermeiden:
- sprechen
- rufen
- flüstern
- kreischen
- argumentieren
- widersprechen
Viele AutorInnen kommen auch auf die Idee, das auszuweiten und ganz andere Verben wie »lächeln«,, »lachen«, »diskutieren«, »winken« an die wörtliche Rede anzuhängen, um Abwechslung reinzubringen …
Pet Peeve: »lächelte er«
Wenn du nicht nur mich, sondern auch den früheren Chef-Lektor der Random House-Verlage gegen dich aufbringen möchtest ;-), dann schreibst du hinter wörtliche Rede: »lächelte er«, »grinste sie«, »winkte er mich zu sich« …
Aber warum ist das eine Stilsünde? Und wie geht es besser? Tipps dazu findest im Blogpost: »Stilsünde: »Hallo«, lachte er«
Dialoge: Keine Angst vor Wiederholung!
In den Sprachwissenschaften haben sie uns im Studium beigebracht, dass bestimmte Teile eines Textes für die Lesenden quasi »unsichtbar« werden. Das ist alles Vertraute, das eine ganz bestimmte Funktion im Text erfüllt, zum Beispiel
- »ich« in einem Roman mit Ich-ErzählerIn
- »er«, »sie« in jeder Form von Roman
- »sagte«
Ganz anders, wenn man dauernd ein Lieblingswort wiederholt, beispielsweise »grinste«. Oder einen Fachbegriff, der in einem Science Fiction oder Fantasyroman so oft auftaucht, dass es beim Lesen einfach nur noch nervt.
Wenn du allerdings hektisch versuchst, »sagte er«, »sagte sie« durch Alternativen zu ersetzen (möglichst mit einer frischen Alternative pro Satz), reißt das aus dem Lesefluss. Lesende versuchen, sich alles Gelesene blitzschnell vorzustellen. Da stehen zwei Leute in der Küche, unterhalten sich über ihren aktuellen Auftrag als Kopfgeldjäger. Und dann seufzt er seinen Satz, die andere ruft etwas aufgeregt, er »diskutiert« seinen Satz nächsten Satz, sie»stößt mit zusammengepressten Lippen die Worte heraus«.
Die Leserin bzw. der Leserin kann kaum mithalten, sich die Emotionen und Details vorzustellen, die in jedem dieser speech tags mitschwingen – dabei willst du gar keine Emotionen transportieren, sondern einfach nur Wiederholungen vermeiden.
Das ist einfach nur nervig und völlig unnötig. Heb dir »spezielle« Ausdrücke für die Szenen auf, wo jemand tatsächlich (mit Grund!) schreit, ruft, wimmert …
Ignorier die ersten Wörter, die Wiederholungs-Checker-Tools ausspucken. Es sind fast immer Ausdrücke, die für deine Lesenden unsichtbar sind.
Lass doch die Speech Tags mal weg!
Wenn es dich nervt, seitenlang »sagte er«, »sagte sie« zu schreiben, gibt es elegantere Lösungen.
Im ersten Entwurf würde ich die Wiederholungen tapfer ignorieren. Du weißt gar nicht, ob die Szene im Buch bleibt: Hier lohnt es sich noch nicht, Zeit zu investieren. Pack die gesparte Zeit lieber in deine Story und die Charaktere.
In der Überarbeitung prüfst du dann, wie viele Leute in der Szene auftreten. Wenn es nur zwei Personen sind, genügt es, wenn du alle paar Sätze im Dialog verankerst, wer gerade spricht. Wenn dann die wörtliche Rede geschlossen wird und jemand anderes etwas entgegnet, muss es ja die zweite Person sein.
Wenn mehr als zwei Personen anwesend sind, wirst du um „sagte Verena“, „sagte Peter“ nicht herumkommen. Nichts schlimmer, als wenn man als Leserin ständig grübeln muss, wer das denn jetzt gerade gesagt hat.
Die hohe Kunst ist, anstatt mit »sagte Verena« zur Abwechslung auch mal mit Handlungen zu zeigen, wer gerade gesprochen hat.
Denn im normalen Leben gibt es wenige Situationen, wo wir wirklich nur einander gegenüberstehen und uns unterhalten. Ganz häufig macht man etwas parallel, das nicht viel Aufmerksamkeit erfordert – und sei es, sich nervös an den Haaren zu nesteln.
Wenn du diese Handlungen geschickt wählst, transportieren sie etwas aus dem Innenleben der Figuren, eventuell sogar etwas, das unausgesprochen bleibt. Es sollte aber nicht all zu plump sein!
»Der Chef ist nicht da.« Sabine wich hastig meinem Blick aus und stapelte nervös die Ordner übereinander.
»Hastig« und »nervös« sind gar nicht nötig. Das hier etwas Unausgesprochen bleibt, kommt auch so rüber:
»Der Chef ist nicht da.« Sabine wich meinem Blick aus und stapelte schnell die Ordner übereinander.
Dialoge: mit Augenmaß
Wenn du Handlungen als Markierungen der Sprecher einsetzt, kommt es wie beim Plätzchenteig auf die feine Dosierung an:
Wenn man als Leserin das Gefühl hat, die Menschen im Roman tun bestimmte Dinge nur, damit du »sagte sie« vermeiden kannst, nervt das beim Lesen!
Ich rolle da die Augen, wenn nach jedem gesprochenen Satz Haare zurückgestrichen werden, ein Schal justiert, ein Kaffee geholt wird. Stell dir das mal »in echt« vor: Du würdest diese Menschen für ziemlich nervös oder hibbelig halten. 🙂
Ich würde das lieber bewusst einsetzen, wenn ich zeigen möchte, dass jemand tatsächlich nervös ist oder ich weiß, dass der Charakter ADHS (in der hyperaktiven Form) hat. *
(* Und selbst da wäre ich vorsichtig! Die meisten neurodivergenten Menschen, die ich kenne, haben sich mühsam beigebracht, zu „maskieren“, also beispielsweise nicht zu wippen oder an etwas herumzunesteln. Nur in absoluten Stresssituationen oder wenn sie sehr lange am Stück maskieren müssen, werden diese Gesten etc. sichtbar.)
Die beste Mischung ist:
- Wiederholungen im 1. Entwurf des Manuskripts ignorieren.
- Speech Tags bei der Überarbeitung löschen, wo sie unnötig sind.
- Keine Scheu, das Worte »sagte« zu wiederholen.
- Keine Scheu, Namen zu widerholen, wenn es mehr als zwei Menschen sind. (Und bitte: »sagte Verena« und nicht, aus lauter Angst vor der Wiederholung, »sagte die unterkühlte Blonde mit dem Wuschelhaar«, obwohl sie zwei Sätze vorher noch Verena war, also unserem POV-Charakter bekannt. 😉
- Alle paar Sätze sinnvolle Handlungen einstreuen, idealerweise welche, die die Charaktere anschaulicher machen. Das verhindert auch etwas den Eindruck beim Leser, ein Theaterstück oder Drehbuch zu lesen. Da kann eine Kollegin gern beim Sprechen auf ihrem ergonomischen Stuhl wippen. Der Schwarm der Heldin kann sein Gesicht einmal hinter der großen Teetasse verstecken, sodass die Heldin nicht weiß, ob er lächelt oder seinen Satz zuvor Ernst gemeint hat.
- Prüf bei der Überarbeitung, ob die Dialoge alle so lang sein müssen und ob sie überhaupt nötig sind. (Tipps dazu im Blogpost: »Talking Heads – Außer Dialogen nix los«.)
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