Talking Heads - außer Dialogen nix los?
Dialoge sind essenziell für die meisten Romane. Sofern du keine »E-Literatur« schreibst (also hochliterarische Werke), möchte ich sogar sagen: Dialog ist absolut notwendig. Dabei gibt es zwei Stolperfallen für AutorInnen.
Inhaltsverzeichniss
Dialoge, weil die Charakter drauflos quasseln
Für Dialoge gelten dieselben Regeln wie für Sexszenen und andere »besondere« Elemente eines Romans: Sie müssen eine Daseinsberechtigung haben, also den Plot und/oder die Charakterentwicklung vorantreiben. Dialoge um des Quasselns willen, sind nur für dich als AutorIn spannend. Deine Lesenden schlafen dabei ein. Wenn der erste Entwurf fertig ist, prüfst du am besten alle Dialoge kritisch,
ob du manchmal nur »das echte Leben« abbildest, ohne dass es die Handlung oder die Charaktere weiterbringt. Wörtliche Rede im Roman ist eine Kunstform, die dem Lesenden vermitteln soll, dass er/sie live dabei ist. Aber sie wird prägnanter geschrieben, als wir uns im echten Leben unterhalten, und sie lässt vieles weg, das keine zusätzlichen Informationen transportiert.
Dialoge, die dem Lesenden Informationen vermitteln
Dann gibt es noch die Info-Dump Dialoge. Seitdem die meisten Romane nicht mehr mit allwissendem Erzähler geschrieben werden (der wenn nötig den Lesenden Dinge erklärt), müssen die Informationen, die die Heldin nicht kennt, von Dokumenten oder einer weiteren Person erklärt werden.
Sehr beliebt sind da Briefe oder Tagebücher, die gefunden werden. Und vor allem Szenen, in denen schlimmstenfalls eine Person Seite um Seite Zusammenhänge erklärt oder wo die Heldin sich im Dialog mit anderen stundenlang austauscht über ein Thema, das in die Backstory
gehört.
Fall 2 nennt man im Englischen »talking heads«; weil bei einem Film oder einer TV Serie minutenlang nur zwei oder mehr Köpfe auf dem Bildschirm zu sehen sind, die sich unterhalten.
Wie vermeidest du langweilige Dialoge?
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese »talking heads« zu vermeiden.
Für Fortgeschrittene
Eine Möglichkeit, die (angeblich) Aaron Sorkin in der Serie »Westwing« erfunden hat, ist das »walk and talk«. Eine Kamera begleitet einen Dialog in einem einzigen Take, bei dem sich die beiden Charaktere von einer Location zur nächsten bewegen, mit anderen interagieren – aber dabei immer weitersprechen. Das soll den Zuschauer bei Laune halten und wurde von vielen Filmen und Serien aufgegriffen.
Im Roman ist die Umsetzung schwierig. Du musst jedesmal den Dialog unterbrechen, um die neue Location (kurz) zu beschreiben. Da muss der Dialog schon wirklich wichtig sein! Wenn es klappt, ist das aber »großes Kino« im Roman.
Andere Lösungen statt zu vielen langweiligen Dialogen
1. Prüfe lange Dialoge, ob sie aufgebläht sind und gekürzt werden könnten. Dialoge in Geschichten sind eine Kunstform, die viel verknappter ist, als echte Dialoge und entweder wichtige Informationen oder Charakterentwicklung ins Buch bringen müssen; idealerweise beides. Kill your darlings!
2. Hast du unrealistische Dialoge eingebaut, nur um Informationen zu vermitteln? Eine der »Sünden«, die im Lektorat immer wieder auffällt, sind Formulierungen wie: »Wie du ja weißt, ist unser Vater ein rachsüchtiger Mensch …« So würde man nie sprechen im echten Leben. Wenn der andere Charakter das weiß, gehört es nicht in den Dialog. Man hat damit versucht, Exposition zu vermeiden.
- Lösung 1: Such dir eine Stelle, wo die Heldin sowieso über diesen Punkt nachdenkt und häng die Info an, ganz ohne Dialog.
- Lösung 2: Wenn du wörtliche Rede mit Aussagesätzen kombinierst, verstehen die Lesenden, dass das die Gedanken sind, die gerade der Heldin durch den Kopf gehen. In diesem Beispiel: »Er hat uns enterbt!«, stieß Marie hervor. Ich starrte sie entgeistert an. Unser Vater war schon immer rachsüchtig gewesen, aber das setzte doch allem die Krone auf!
3. Nimm deine Heldin kritisch unter die Lupe: Ist es wirklich nötig, dass sie für das Problem des Buches ein absoluter Newb ist, die nichts weiß und der man so viel erklären muss? Im Blogpost Kompetente Charaktere: Der Reiz von »Competence Porn« als Erzählmuster in Geschichten« findest du Tipps speziell dafür. Es bedeutet, dass du viel umschreiben musst, aber oft ist es das wert, weil ein Charakter, dem man weniger erklären muss, mehr Action in die Geschichte bringt statt seitenlangen »Talking Heads«.