Stilsünde: »Hallo«, lachte er
»Komm morgen vorbei«, lachte er.
»Du musst es ja wissen«, grinste er
Es gibt wenige Formulierungen, die mich als Leserin derart auf die Palme bringen, wie diese kleinen Begleitsätze für wörtliche Rede. Vor allem, wenn sie mir beim laut Vorlesen von Bilder- und Kinderbüchern begegnen. Denn wenn VerlagslektorInnen diese Formulierungen durchrutschen, etabliert sich im Sprachgefühl deiner Kinder: »Das ist richtig so.« (Spoiler: Nein, ist es nicht. 😉
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Welche Regel gibt es da?
Ich konnte bei Diskussionen über dieses Thema immer nicht sagen, ob diese Einschätzung meinem Sprachgefühl durchs viele Lesen entsprungen ist, ob ich es als feste Regel im Verlagsvolontariat gelernt habe oder bei einer der Fortbildungen an der Akademie der Deutschen Medien (früher: Akademie des Deutschen Buchhandels).
Dann fiel mir neulich »Dreyer’s English« von Benjamin Dreyer in die Hände. Dreyer war über Jahrzehnte bis 2023 Cheflektor bei Penguin Random House in New York, also dem größten Verlagshaus der Welt.
Sein Ruf war »letzter Schiedsrichter in allen Stilfragen« zu sein (laut New York Times). Ein langes internes Memo mit Stilanweisungen für LektorInnen hat er zum Buch »Dreyer’s English« ausgebaut, in dem er alles umreißt, das LektorInnen seiner Meinung nach über die sprachlichen Aspekte ihres Handwerks wissen sollte.
Zu unserer Stilsünde »›Hallo‹, lachte er« sagt er dort:
»Man kann Hallo sagen, und man kann lächeln, aber man kann kein Hallo lächeln – oder, was das betrifft, irgendeine andere Äußerung lächeln. Man muss es tatsächlich SAGEN. Das ist Basiswissen Textüberarbeitung.« (Benjamin Dreyer, Dreyer’s English, Random House 2019, S. 122; meine Übersetzung)
Dialoge im Roman schreiben
Generelle Tipps zum Schreiben von Dialogen findest im Blogpost: »’sagte er, sagte sie‘ – Dialoge im Roman«. ((LINK — Simone, das ist auch ein neuer Blogpost))
Speech Tags
Im Deutschen nennt man diese Formulierungen, die zeigen, wer etwas in gesagt hat, leider neutral »Begleitsatz zur wörtlichen Rede«- Das impliziert, dass du als AutorIn einen Freifahrtschein hast, mit welchen Verben du deine wörtliche Rede umstellst. (Spoiler: Das stimmt nicht.)
Im Englischen nennt man diese kurzen angehängten Sätze »speech tags«, was klarer macht, worum es geht: Diese »Anhängsel« an den gesprochenen Satz, müssen irgendetwas mit gesprochener Sprache/Stimme zu tun haben.
Man merkt das beim Lautvorlesen:
- »sagte er« ist eine neutrale Formulierung; als Lesender ziehst aus dem Dialog und der Handlung Rückschlüsse, wie du die wörtliche Rede auszusprechen hast: ob neutral oder mit Nachdruck etc.
- Steht dort »schrie er«, »flüsterte er«, »keuchte er« versucht eine gute Vorleserin, das wie beschrieben umzusetzen: laut sprechen, flüstern, keuchen
- Aber jetzt versuch mal, einen Satz oder mehrere zu lächeln oder zu grinsen! Falls du es tatsächlich schaffst, klingt das Vorgelesene blöd, weil man beim Lächeln/Grinsen einen breiten Mund hat.
Denn im echten Leben ist unsere Mundstellung beim freundlichen Sprechen neutral. Man kann
- lächeln, dann sprechen, dann wieder lächeln
- oder sprechen und dann lächeln
– aber nicht gleichzeitig!
Guter Stil bei der wörtlichen Rede
Beim Schreiben muss man unterscheiden, was die STIMME macht (sagen, flüstern, schreien, poltern, kreischen, fiepen) und was die MIMIK macht (lächeln, grinsen, Stirn runzeln, Brauen heben).
Die STIMME kannst du mit wörtlicher Rede kombinieren, die Mimik nicht.
Die Lösung ist aber wirklich simpel: Verwende einfach ein »und« oder setze einen Punkt in der wörtlichen Rede.
Also:
- »xxxx«, sagte er und lächelte.
- Oder: »xxxxx.« Er grinste mich schelmisch an.
Besonders die zweite Variante ist chef’s kiss. Denn sie gibt deinen Leserinnen Kopfkino.
Handlungen »sprechen«
»xxx«, winkte er mich heran — ist genauso ein NoGo wie lächeln.
Man kann keine Worte »winken«, es sei denn, man schreibt einen Roman mit gehörlosen Charakteren. (Was ich sehr spannend zu lesen fände.)
Schreib doch einfach: »Frau Meier, trödeln Sie nicht herum!« Er winkte mich mit hektischen Bewegungen zu sich.
Grenzfälle wörtliche Rede
Ein anderer Fall sind Formulierungen wie »widersprach er«, »argumentierte sie«, »deutete er an«, »machte er sich lustig«.
Denn diese Begleitsätze haben im weitesten Sinne mit Sprache/Stimme zu tun.
Meine Erfahrung zeigt:
1.) Im ersten Entwurf kannst du solche Ausdrücke ruhig benutzen. Hauptsache, der Text steht auf dem Papier.
2.) In der Überarbeitung solltest du prüfen (oder eine Lektorin wie ich prüft im Lektorat), ob an der Stelle etwas mit der wörtlichen Rede nicht stimmt.
Warum könnte etwas mit der wörtlichen Rede nicht stimmen?
Wenn die Person im Dialog widerspricht, muss man das nicht auch noch hinten anhängen! („Nein, das stimmt nicht!“)
Wenn er/sie sich lustig macht, wird das ebenfalls im Dialog sichtbar werden. („Na, dich haben sie als Kind aber auch zu heiß gebadet.“)
Also nicht:
- „Nein, auf keinen Fall!“, widersprach er.
- „Na, dich haben sie als Kind aber auch zu heiß gebadet“, machte er sich lustig.
Die wörtliche Rede genügt. Warum mit dem Holzhammer ein zweites Mal darauf hinweisen? Das ist meist nur nötig, wenn deine Dialoge nicht genug Emotionen transportieren!
Woran merkst du das?
Dass da z. B. steht „Nö“, widersprach er heftig.
Stell es dir immer wie einen Film oder ein Theaterstück vor: Kann die Leserin nur aus dem gesprochenen Satz und eventuell der Mimik/Gestik erkennen, was passiert? Wenn er „heftig widerspricht“, muss auch der Satz so formuliert sein. Dann sind die weiteren „Anhängsel“ nicht nötig.
Trau dich, »sagte« zu verwenden
Aber warum lächeln, grinsen und argumentieren die Charaktere überhaupt in so vielen Büchern?
Weil viele AutorInnen hektisch vermeiden »sagte er« oder »sagte sie« zu verwenden.
Tipps dazu findest du im Blogpost: »Sagte er, sagte sie – gute Dialoge im Roman«.
Wer schreibt dir hier?
Hej! Ich heiße Nina, habe lange als Verlagslektorin, Autorin und Ghostwriterin gearbeitet.
Alles, was ich gelernt habe, setze ich jetzt ein, um Menschen dabei zu unterstützen, ihre Texte, Herzensbücher und Businessbücher zu veröffentlichen.
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